Implizite Volatilität – der heilige Gral im Optionshandel?

In vielen Blogbeiträgen, Seminaren und Tweets betonen wir gebetsmühlenartig die Wichtigkeit der impliziten Volatilität. Für uns ist sie der Schlüssel zum Erfolg im Optionshandel. Doch was ist die implizite Volatilität eigentlich, wie unterscheidet sie sich von der historischen, wie wirkt sie sich auf den Optionspreis aus und wie können wir daraus einen Vorteil ziehen? Diese Fragen beantworten wir im heutigen Blogbeitrag.

Was ist die historische Volatilität?

Um die implizite Volatilität (IV) zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die „historische Volatilität“ (HV). Diese wird aus den historischen Preisänderungen der letzten 30 Tage einer Aktie oder eines Futures berechnet.

Stellen wir uns einen Aktienkurs vor, der sich 1 Jahr nicht verändert. Die Schwankung von Tag zu Tag ist 0 und damit ist auch die HV gleich 0.

Auch bei einem Aktienkurs, der jeden Tag konstant um 1% ansteigt, ist die historische Volatilität gleich 0. Denn obwohl der Aktienkurs jeden Tag um 1% ansteigt (und durch den Zinseszinseffekt ist die Wertentwicklung enorm), schwanken die einzelnen Tage untereinander nicht und damit ist auch die historische Volatilität gleich 0. Im Chart erkennt ihr den exponentiellen Anstieg des Aktienkurses, während die historische Volatilität bei 0 verharrt.

Historische Volatilität

Historische Volatilität der Apple-Aktie

Das sind natürlich Beispiele, die mit der Realität wenig am Hut haben. Betrachten wir einmal die Apple-Aktie über ein Jahr. Im Chart erkennt ihr in blau den Aktienkurs und in rot den Verlauf der historischen Volatilität. Die HV von Apple lag dabei zwischen 11 % und 50 %. Wie entsteht beispielsweise die HV von 50 %? Die Apple-Aktie ist von ihrem Hoch von ca. $ 230 auf $ 142 Dollar gefallen ist, während gleichzeitig die historische Volatilität auf 50 % angestiegen ist.

Historische Vola AAPL

Für unseren Handel ist diese Information aber nur als Zusatzinformation relevant, denn wir interessieren uns ja vor allem für die Zukunft und hier kommt die implizite Volatilität ins Spiel.

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Implizite Volatilität mit Blick in die Zukunft

Die historische Volatilität können wir relativ einfach aus den Kursdaten der Vergangenheit z.B. mit Excel berechnen. Die Berechnung der impliziten Volatilität erfolgt dagegen aus den Marktpreisen der Optionen auf die Aktie oder des Futures. Mit Optionen sichern sich viele Händler im Markt ab. Somit sind die Optionspreise und die daraus abgeleitete IV ein Maß, für die aktuell am Markt erwartete Schwankungsbreite des Basiswertes für die Zukunft.

Vereinfacht: Ist die implizite Volatilität hoch, erwartet der Markt eher stürmische und stark schwankende Bewegungen des Basiswertes. Ist sie niedrig erwartet er eher ruhige Zeiten.

In der Trader-Workstation können wir uns diese auch im Vergleich zur historischen Volatilität ausgeben lassen:

Wie können wir das nutzen?

Im Chart seht ihr, dass die implizite Volatilität (weiße Linie) von Apple zu Beginn des Jahres auf einem eher niedrigen Niveau lag und im Herbst auf einem deutlich höheren. Zu Beginn des Jahres war der Markt also etwas sorgloser und zum Jahresende hat er deutlich höhere Schwankungen eingepreist. Danach ist die implizite Volatilität wieder deutlich gesunken. Außerdem könnt ihr zum Jahresende erkennen, dass die IV – also die erwarte Schwankung – bereits gefallen ist, während die HV noch auf einem hohen Niveau geblieben ist. Das ergibt auch Sinn, denn durch die starke Kursbewegung ist die HV als nachlaufender Indikator angestiegen. Der Großteil der Marktteilnehmer erwartet aber bereits geringere zukünftige Schwankungen, sichtbar an der IV.

Wenn höhere Schwankungen eingepreist werden, ist die implizite Volatilität hoch und somit auch der Optionspreis. Die Optionen sind also teuer. Und gerade auf diese teuren Optionen haben wir es abgesehen. Denn sehr oft folgen auf Phasen hoher Volatilität niedrigere und als Optionsverkäufer profitieren wir davon.

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Hohe Volatilität als Grundregel

Wir verkaufen unsere Optionen deshalb grundsätzlich nur in einem Umfeld von hoher bis sehr hoher Volatilität. Damit kommen wir mit unserem Strike weit weg vom Preis des Basiswertes und profitieren von einem eventuellen Volatilitätsrückgang.

Würden wir in einem Umfeld niedriger Volatilität verkaufen, besteht immer das Risiko, dass diese ansteigt, so dass unsere Optionsprämie sehr teuer wird und unsere Position unter Druck gerät.

Optionen sind ein Spiel von Wahrscheinlichkeiten. Und nach hoher Volatilität folgt in der Regel niedrige Volatilität. Würden wir bei niedriger Vola unsere Optionen verkaufen, werfen wir diesen statischen Vorteil über Bord, schlimmer noch: Wir haben ihn gegen uns. Und dass die implizite Volatilität in kurzer Zeit sehr schnell ansteigen kann, konnte man zuletzt z.B. bei Wirecard beobachten:

Wirecard Implizite Volatilität

Fazit

Es gibt nicht den einen heiligen Gral im Börsenhandel, für uns Optionshändler ist aber das Verständnis und der Nutzen der impliziten Volatilität mit Abstand die wichtigste Komponente. Ist sie hoch, verkaufen wir gerne Optionen, profitieren von einem potentiellen Rückgang der Volatilität und können die Position oft nach kurzer Zeit glattstellen. Bei niedriger IV bleiben wir konsequent an der Seitenlinie, getreu dem Motto „Was kann ich gewinnen, was aber verlieren?“.


Hinweis:
Dieser Beitrag dient nur der Information und stellt keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf der erwähnten Wertpapiere dar. Der Handel mit börsennotierten Wertpapieren kann zum Teil erheblichen Kursschwankungen unterliegen, die zu erheblichen Verlusten bis hin zum Totalverlust führen können. Bei jeder Anlageentscheidung, die Sie aufgrund von Informationen, welche aus Inhalten dieser Seite hervorgehen, treffen, handeln Sie immer eigenverantwortlich, auf eigene Gefahr und eigenes Risiko. Die auf dieser Seite zur Verfügung gestellten Inhalte, wie z.B. Handelssignale und Analysen, beruhen auf sorgfältiger Recherche, welchen Quellen Dritter zugrunde liegen. Diese Quellen werden von dem Autor als vertrauenswürdig und zuverlässig erachtet. Der Autor übernimmt gleichwohl keinerlei Gewährleistung für die Aktualität, Richtigkeit oder Vollständigkeit der Inhalte und haftet nicht für materielle und/oder immaterielle Schäden, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der Inhalte oder durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Inhalte verursacht wurden.


 

Über den Autor

Maximilian Bothe

Maximilian Bothe ist hauptberuflicher Händler und Investor. Er ist CO-Founder der Optionsseite Eichhorn Coaching und  Portfoliomanager der Vermögensverwaltung Bothe & Eichhorn Capital.

Seine Schwerpunkte liegen in der Entwicklung und dem Backtesting von Handelsstrategien. In seinem Buch „Kaufst du noch oder schreibst du schon?“ hilft er Optionshändlern beim schnellen Einstieg in den profitablen Optionshandel.

Außerdem veröffentlicht er regelmäßig Analysen und YouTube-Videos auf dem Eichhorn Coaching Kanal.